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Die Verwendung von Fremdwörtern in juristischen Texten

Beitrag 20, Juli 2025

Eine Sprache kommt ohne Fremdwörter kaum aus und auch die deutsche Sprache ist reich daran. Manchen Begriffen sieht man anhand ihrer Struktur an, dass sie fremdartig sind (adäquat [lat.] = angemessen, den Bedingungen entsprechend). Andere Begriffe haben wir ursprünglich aus verschiedenen Sprachen übernommen, sie sind aber mittlerweile derart in die deutsche Sprache integriert, dass sie uns „urdeutsch“ erscheinen (sog. Lehnwörter): Fenster (lat. fenestra), Koffer (französisch: coffre), Kaffee (türkisch: kahve).[*1] Ob man in den eigenen Texten Fremdwörter verwenden möchte, ist eine Stilfrage. Zu den Grundprinzipien guten Stils gehören Gedankenklarheit[*2] und Verständlichkeit. Prüfen Sie also, ob Sie auf Fremdwörter verzichten können. Das ist der Fall, wenn dies ohne Bedeutungsverlust möglich ist.[*3]

Ein Fremdwort transportiert, wie der deutsche Begriff auch, eine Information. Ein Fremdwort muss die Leserin jedoch erst noch decodieren (= entschlüsseln), um den Inhalt der Botschaft zu verstehen. Ein deutscher Begriff hingegen ist oftmals sofort verständlich. Zumindest ist dies eine aposteriorische Erkenntnis.[*4]

Auf Fremdwörter zu verzichten empfiehlt sich aber auch, weil ihre Verwendung häufig zu Fehlern führt. Sie sollten Fremdwörter also nur verwenden, wenn Sie wissen, was sie bedeuten! Ein falsch verwandtes Fremdwort schadet Ihrem Text mehr, als dass das richtige überzeugt. Einfachheit in der Sprache bedeutet nicht Einfältigkeit des Gedankens![*5] Man kann also auch einmal „weniger Fremdwort wagen“. Wenn Sie sich dennoch entscheiden, ein Fremdwort zu verwenden, überlegen Sie, ob Sie ggf. der Leserin eine Übersetzung in der Fußnote anbieten.[*6] Missgeschicke mit Fremdwörtern passieren selbst den Besten. So schrieb Tonio Walter einmal vom Irrtum als einem „psychologischen Tatbestand“[*7], meinte aber einen „psychischen Tatbestand“[*8], wie er selbst später erkannte.[*9]

Allerdings sollte der Verzicht auf Fremdwörter nicht zu „Deutschtümelei“[*10] führen. Sie brauchen nicht jedes „kausal“ durch „ursächlich“ zu ersetzen[*11], und der deutsche Begriff „Meuchelpuffer“ für „Pistole“ ist fremder als das Fremdwort.[*12] Als kleine Hausaufgabe mag die geneigte Leserin zu ergründen versuchen, was die Sprachpuristen wohl mit dem deutschen Wort „Lotterbett“ übersetzen wollten.[*13]

Zu beachten ist jedoch, dass die Rechtswissenschaft über eine Fachsprache verfügt, die sich von der Umgangssprache zunächst durch ihr Vokabular unterscheidet, welches von Fachausdrücken (termini technici) geprägt ist. Gerade bei juristischen Fachbegriffen können und sollen Sie die Fremdwörter (z. B. Abstraktionsprinzip) verwenden, weil sie vielfach Gedankeninhalte knapp und präzise bündeln.[*14] So erleichtern Sie die Kommunikation zwischen Fachleuten.

Allerdings können wir auch hierbei differenzieren (oder doch besser unterscheiden?). Für manche Fachbegriffe gibt es keine deutsche Übersetzung. So zum Beispiel beim Abstraktionsprinzip. Ohne dieses Fremdwort kann das Abstraktionsprinzip nur beschrieben werden, nämlich dass schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft und sachenrechtliches Verfügungsgeschäft in ihren Wirkungen voneinander unabhängig sind. Dieser Begriff ist also nicht gut ersetzbar. Anders sieht das bei der diligentia quam in suis aus. Dieser lateinische Ausdruck beschreibt die eigenübliche Sorgfalt und damit den Verschuldensmaßstab des § 277 BGB. Der deutsche Ausdruck macht es der Leserin hier einfacher.[*15]

Mehr zum Thema finden Sie bei Hartmann/Welzel, Sprache und Stil, in: Hartmann (Hrsg)., Hausarbeit im Staatsrecht. Musterlösungen und Gestaltungsrichtlinien für das Grundstudium, 5. Aufl. 2023, S. 20 (28).

Tobias Welzel


[*1] DWDS zu den Begriffen: FensterKoffer und Kaffee.

[*2] „Den Stil zu verbessern — heißt den Gedanken verbessern, und gar nichts weiter!“ in: Colli/Montinari (Hrsg.), Nietzsche, Sämtliche Werke, Band 2: Menschliches, Allzumenschliches I und II, 2. Aufl. 2021, S. 610.

[*3] Berg, NJW 1957, S. 1791 (1791); Schneider, JZ 1955, S. 267 (269).

[*4] = auf Erfahrung beruhend, gründend; erfahrungsgemäß, DWDS, Stichwort „aposteriorisch“ https://www.dwds.de/wb/aposteriorisch [letzter Abruf 21.07.2025] oder hätte ich lieber gleich „erfahrungsgemäß“ schreiben sollen?

[*5] Karl Popper hat die Einfachheit sogar zum Postulat der Wissenschaft erklärt: „Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann.“ Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt, 1995, S. 100.

[*6] Wenn es ein selten verwendetes Fremdwort ist.

[*7] Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, 1999, S. 172, 175.

[*8] Also einen Befund in der Psyche und nicht in der Wissenschaft von ihr.

[*9] Walter, Über den juristischen Stil, http://www.skriptorama.de/uber-den-juristischen-stil/ [letzter Abruf: 21.07.2025].

[*10] Schimmel, Juristische Klausuren und Hausarbeiten richtig formulieren, 15. Aufl. 2022, Rn. 366.

[*11] Hartmann/Welzel, in: Hartmann (Hrsg.), Hausarbeit im Staatsrecht, 5. Aufl. 2023, Sprache und Stil Rn. 18.

[*12] So fremd sogar, dass der Duden keinen eigenen Eintrag zu „Meuchelpuffer“ führt.

[*13] Die Lösung findet sich bei Walter, Kleine Stilkunde für Juristen, 4. Aufl. 2024, S. 196.

[*14] Schnapp, Stilfibel für Juristen, 2004, S. 145.

[*15] Argumente für einen Erhalt der lateinischen Ausdrücke in der juristischen Fachsprache bei Walter, Kleine Stilkunde für Juristen, 4. Aufl. 2024, S. 214, da sie eine wichtige Wurzel der Rechtswissenschaft verdeutlichten und zwischen den Fakultäten Einheit stiften könnten.


  1. Fakultät für Rechtswissenschaft

Prof. Dr. Bernd J. Hartmann, LL.M. (Virginia)

Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Verwaltungswissenschaften


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Sekretariat: Karolin Kuntscher
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