2019 war das süditalienische Matera Kulturhauptstadt Europas – damit ist Italien eigentlich erst 2033 wieder an der Reihe, doch Grenzlage und Partnerschaft machten es möglich, dass sich Slowenien und Italien gemeinsam mit der „Doppelstadt“ Gorizia / Nova Gorica für den Titel bewarben und unter dem Label „Go!2025“ den Zuschlag erhielten. Die Regensburger Italianistik bietet 2025 mehrere Lehrveranstaltungen rund um Gorizia an – den Auftakt machte nun eine Exkursion unter Leitung von Dr. Giulia de Savorgnani, Lehrstuhl für Französische und Italienische Literatur- u. Kulturwissenschaft, die selbst aus Gorizia kommt, begleitet von Dr. Simona Fabellini, Dr. Jonas Hock und Dr. Regine Strätling.
„Due città, tre culture, una storia“
„Zwei Städte, drei Kulturen, eine Geschichte“ – unter diesem Motto machten sich Italienisch-Studierende und Dozierende Ende April auf, um die beiden Grenzstädte zu erkunden, die erst seit 1947 von einer Grenze geteilt werden! Über Jahrtausende war Görz, wie die Stadt auf Deutsch genannt wird, ein Raum, in dem zahlreiche Kulturen und Sprachen miteinander verflochten waren: Italienisch, Slowenisch, Deutsch, Friulanisch. Mehrsprachigkeit war nicht Ausnahme, sondern Regel. Umso bestürzender die Feststellung vor Ort, dass das weitgehend Geschichte ist und die Nachbarsprache beispielsweise in den Schulen als Fremdsprache kaum unterrichtet wird. Immerhin gibt es einzelne slowenische Schulen in Gorizia und italienische in Nova Gorica
Am ersten Exkursionstag lernen wir gleich eine weitere kultur- und religionsgeschichtliche Dimension der Stadt kennen: die jüdische. Bei Führungen durch die Synagoge sowie die Casa Ascoli – Sitz der Società Filologica Friulana und Geburtshaus des Sprachwissenschaftlers Isaia Ascoli (1829-1907) –, die sich am Eingang des ehemaligen Ghettos befindet, zeigt sich, welche kultur- und religionsgeschichtliche Dimension die Stadt besitzt und was für ein wichtiger Knotenpunkt Görz seit dem Mittelalter für ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen war.
„L’Isonzo scorrendo / mi levigava / come un suo sasso“
„Der strömende Isonzo / glättete mich / wie einen seiner Steine“, so die berühmten Verse aus Giuseppe Ungarettis Gedicht „I fiumi“, das er im Sommer 1916 im Karst schrieb. Bei der Eroberung Gorizias 1916 durch das Italienische Königreich starben über 20 000 italienische – und fast 10 000 österreichisch-ungarische – Soldaten. Die ganze Region ist tief vom Ersten Weltkrieg gezeichnet, denn hier verlief die in Deutschland eher unbekannte Südfront zwischen dem Königreich Italien und Österreich-Ungarn. Unter den Soldaten war der Lyriker Giuseppe Ungaretti, der seine wohl berühmtesten Gedichte in den Schützengräben im Karst rund um Gorizia schrieb.
„GO! Borderless“
Die Erkundungen vor Ort vermittelten allen Teilnehmenden der Exkursion detaillierte Einblicke in die komplexe Geschichte und Gegenwart der Grenzregion und schufen so ein solides Fundament für die Regensburger Lehrveranstaltungen rund um Gorizia im Sommersemester 2025. Die Zukunft wird zeigen, ob sich für Gorizia der Traum einer „transnational European city“ erfüllen wird und in welchem Maße das Kulturhauptstadt-Programm dazu beitragen wird, eine Annäherung zwischen den beiden Städten zu befördern, um so das Ziel „GO! Borderless“ umzusetzen.
Kontakt aufnehmen
Dr. Jonas Hock, Akad. R. a. Z.
Lst. Französische und Italienische Literatur- u. Kulturwissenschaft
Universität Regensburg
Institut für Romanistik
Tel. 0049-(0)941-943-3857
E-Mail: [email protected]