In Regensburg gab es bereits im Mittelalter Interesse an der Astronomie. Davon zeugt nicht zuletzt die Sphära des Wilhelm von Hirsau, die mutmaßlich während dessen Zeit im Kloster St. Emmeram während des 11. Jahrhunderts angefertigt wurde. Damit konnte über indirekte Methoden der Frühlingspunkt berechnet werden, was für die Osterrechnung essenziell ist. Eben jenes Kloster war es auch, in dem im 18. Jahrhundert wieder Interesse für Astronomie geweckt wurde. So schaffte sich das Kloster unter den Äbten Frobenius Forster und Coelestin Steiglehner eine umfangreiche Sammlung astronomischer und meteorologischer Instrumente an. Allerdings waren diese Teleskope zwar hochwertig, aber dennoch schon zu dieser Zeit zu klein und zu schwach, um damit ernsthaft Forschung betreiben zu können. Stattdessen erfüllten sie vor allem repräsentative Funktionen, indem sie deutlich machten, dass der Sternenhimmel, und damit dessen Nähe zu Gott, Hoheitsbereich der Klöster sein solle. Herausragend ist dennoch die Arbeit von Placidus Heinrich zu nennen, der etwa systematisch die Bewegung des Merkur beobachtete und mit den Observationes Meteorologicae jahrzehntelang systematisch bis zu 14-mal am Tag verschiedene Wetterdaten zusammentrug.
Prof. Dr. Karl Stöckl (Foto: Sternwarte Regensburg)
Nach Auflösung des Klosters 1810 und der Integration des Fürstentums Regensburg in das Königreich Bayern gingen die Instrumente in das Eigentum des neu gegründeten königlich-bayerischen Lyzeums über. Das Lyzeum übernahm gleichzeitig Placidus Heinrich als Professor für Physik und Astronomie, sodass er seine Tätigkeiten fortsetzen konnte. Dazu nutzten er und das Lyzeum einen Turm der früheren Stadtmauer, der sich auf dem Grund von St. Emmeram befand, und für den sich bald der Name „Placidus-Turm“ einbürgerte. 1902 wurde der Turm bei der Erweiterung des Petersweges abgerissen, sodass die Sternwarte auf das Dach des Hauptgebäudes des Lyzeums am Ägidienplatz 2 umzog. Dort wurde eine drehbare Kuppel eigens dafür gebaut.
Für die Allgemeinheit war die Sternwarte in all dieser Zeit nicht oder nur sehr eingeschränkt zugänglich. Das änderte sich, als 1919 Karl Stöckl auf eigenen Wunsch als neuer Professor für Physik, Mathematik und Astronomie nach Regensburg berufen wurde. Einer der Gründe, warum Stöckl von seiner früheren Stelle in Passau nach Regensburg wechseln wollte, war, dass Regensburg als einziges Lyzeum in Bayern über eine eigene Sternwarte verfügen konnte. Stöckl, der schon in Passau einiges an Öffentlichkeitsarbeit betrieben hatte, schloss sich den allgemeinen Tendenzen des Lyzeums an, auch für außerakademische Kreise Veranstaltungen anzubieten. Schon wenige Wochen nach seiner Berufung erhielt er Anfragen, ob es möglich sei, „seine“ Sternwarte zu besuchen, und am 12. Januar 1920 schließlich lud er, durch Zeitungsanzeigen angekündigt, alle interessierten Personen aus Regensburg ein, seinem Vortrag über die Milchstraße zu lauschen und anschließend durch das Teleskop zu schauen. Anschließend bot Stöckl, zumeist in Eigenregie, regelmäßig Führungen für alle durch die Sternwarte an. Es bürgerte sich schnell ein, dass er jeden Freitag die Sternwarte öffnete und zusätzlich für interessierte Gruppen eigene Führungen, teilweise mit umfangreich ausgearbeiteten Vortragszyklen anbot. Stöckl rettete auch die Instrumente der Sternwarte durch den Krieg, indem er veranlasste, dass sie im Römerturm in der Altstadt eingelagert wurden.
Sternwarte Regensburg (Foto: Sternwarte Regensburg)
Nach dem Krieg erhielt er die Unterstützung des Autodidakten Alois Menath, der nach Stöckls Tod 1959 die Sternwarte weiterführte. 1968 übernahmen schließlich Universität und Fachhochschule die Verantwortung über die Sternwarte und integrierten sie teilweise auch in ihren Lehrbetrieb. 1976 schließlich gründete sich aus den Reihen von Professoren der Universität und der FH, zusammen mit Alois Menath und weiteren Astronomie-Begeisterten der „Verein der Freunde der Sternwarte Regensburg e.V.“, der bis heute die Volkssternwarte Regensburg betreibt, und, der Tradition Stöckls folgend, jeden Freitagabend die Sternwarte für die Allgemeinheit bei freiem Eintritt zugänglich macht.
Der wissenschaftliche und institutionelle Nachlass Karl Stöckls befindet sich heute in Besitz der Universitätsbibliothek Regensburg, der persönliche und private Nachlass in Besitz des Universitätsarchivs Regensburg. Beide Bestände sind für die Forschung zugänglich und werden teilweise digitalisiert.
(Torsten Bendl, Universität Regensburg)
Aufnahme Sternwarte Regensburg.jpg, Prof_Dr_Karl_Stoeckl.png : mit freundlicher Genehmigung Sternwarte Regensburg