Mesdames et Messieurs, meine Damen und Herren,
es ist uns eine große Ehre, die Ausstellung: Strafprozesse filmen – eine gesellschaftliche Herausforderung, an der Universität Regensburg zeigen zu können. Wir wollen, dass die hervorragende Ausstellung der Archives nationales bei uns wahrgenommen und rezipiert wird. Dem dient die interdisziplinäre Ringvorlesung: Kameras im Gerichtssaal, die die Ausstellung begleitet und die wir – Isabella von Treskow, Anna Bernzen und ich – konzipiert haben.
Wir verbinden Rechts-, Medien- und Kulturwissenschaften, um Zusammenhänge zu verdeutlichen, die den Vertreterinnen und Vertretern eines einzelnen Faches vielfach nicht bewusst sein werden. Dazu gehen wir in drei Schritten vor:
Lassen Sie mich an dieser Stelle der Regensburger Universitätsstiftung Hans Vielberth danken, die die Ringvorlesung durch ihre großzügige Förderung ermöglicht hat.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch ein paar Worte zum ersten Teil, wobei ich nicht auf alle Vorträge eingehen werde, die Sie im Programm der Ringvorlesung sehen. Anschließend wird Anna Bernzen Ihnen die weiteren Teile der Ringvorlesung vorstellen.
Die Frage nach Kameras im Gerichtssaal stellt sich in allen Prozessen. Zeitgeschichtliche Bedeutung kommt vor allem Strafprozessen zu. In besonderer Weise gilt das für Strafprozesse, in denen internationale Verbrechen verhandelt werden, also dort, wo Systemunrecht aufzuarbeiten ist. Es geht um Strafprozesse, die die drei völkerrechtlichen Kernverbrechen zum Gegenstand haben:
Das sind die Prozesse, die in der Ausstellung gezeigt werden, und ihnen widmet sich die Ringvorlesung. Ein Meilenstein waren die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, mit denen die Ausstellung beginnt. Es folgten weitere Prozesse im Zusammenhang mit der NS-Diktatur, von Adolf Eichmann bis Maurice Papon. Auch sie zeigt die Ausstellung. In der Ringvorlesung hat uns vergangene Woche Fabien Théofilakis den filmischen Blick auf den Eichmann-Prozess nähergebracht. In ähnlicher Weise wird Hilda Inderwildi den Barbie-Prozess betrachten, bevor Christiane Heibach grundsätzlich über das Filmen von Schuld sprechen wird.
Nach den Nürnberger Prozessen dauerte es über vierzig Jahre, bis ihr Versprechen, internationalen Verbrechen mit den Mitteln des Strafrechts zu begegnen, auf weitere Situationen jenseits der NS-Diktatur übertragen wurde. Ein großer Schritt war die strafrechtliche Aufarbeitung der Balkankriege seit 1993. Kommende Woche wird Iva Vukušić in der Ringvorlesung zur audiovisuellen Dokumentation dieser Prozesse referieren. Auch der Prozess zur chilenischen Diktatur, der in der Ausstellung gezeigt wird, fällt in diese Kategorie.
Meine Damen und Herren,
so viel zum ersten, zeitgeschichtlichen Teil der Ringvorlesung und so viel von meiner Seite. Vielen Dank.
Der zweite Teil der Ringvorlesung soll – wie Robert Uerpmann-Wittzack sagte – der Frage nachgehen, ob audiovisuelle Aufnahmen eines Strafprozesses für diesen Prozess selbst eine unterstützende Funktion haben können – nämlich als audiovisuelles Protokoll der Verhandlung. Ein lückenloses Protokoll des Prozessverlaufs, das zum Beispiel auch Zeugenaussagen im Wortlaut wiedergibt, existiert an deutschen Strafgerichten nicht. Das Gericht macht sich regelmäßig eigene Notizen, auf die es dann für seine Urteilsfindung zurückgreift. Ein Paragraf, der die Aufzeichnung und Transkription der Verhandlung vorgesehen hätte, wurde jüngst zwar diskutiert, aber leider nicht rechtzeitig vor Ende der letzten Legislaturperiode Gesetz.
Simon Pschorr – selbst früher Strafrichter, nun Staatsanwalt – wird in diesem zweiten Teil der Ringvorlesung erläutern, inwiefern es aus Sicht des Gerichts wünschenswert wäre, Film- oder jedenfalls Tonaufnahmen des Strafprozesses für die Urteilsfindung zur Verfügung zu haben.
Ein Argument hierfür könnte sein, dass Richterinnen und Richter sich – nicht nur in längeren Prozessen – auch anhand ihrer Notizen später kaum sicher erinnern können, was der Angeklagte oder die Zeugin nun im Detail gesagt haben. Wie ihr Erinnerungsvermögen nämlich funktioniert, wird Magdalena Abel aus der Sicht der Kognitionspsychologie erläutern.
Schließlich werden wir im dritten Teil der Ringvorlesung Filmaufnahmen zu Zwecken der Medienberichterstattung betrachten. Die Öffentlichkeit von Strafprozessen, die ein wichtiger Verfahrensgrundsatz ist, wandelt sich zunehmend von einer klassischen Saalöffentlichkeit, die durch das Publikum im Zuschauerraum hergestellt wird, in eine Medienöffentlichkeit, in der das Prozessgeschehen einem abwesenden Publikum in Wort, Bild und Ton zur Kenntnis gebracht wird.
Während es den Journalistinnen und Journalisten der Printmedien für ihre Berichte aber ausreicht, der Verhandlung im Gerichtssaal beizuwohnen, brauchen die Kolleginnen und Kollegen des Rundfunks bewegte Bilder. Diese bewegten Bilder dürfen sie in deutschen Strafprozessen allerdings grundsätzlich nicht herstellen. Wie unterschiedlich sich die Arbeit der Medienschaffenden bei Gericht deshalb gestaltet, werden wir in einem gemeinsamen Vortrag von Frank Bräutigam, dem Leiter der ARD-Rechtsredaktion, und Annette Ramelsberger, Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, erfahren.
Filmaufnahmen von echten Gerichtsprozessen könnten auch dazu beitragen, das verzerrte Bild von der Arbeit der deutschen Strafjustiz zu korrigieren, das vor allem US-amerikanische Gerichtsfilme in manchen Köpfen gezeichnet haben. Mit der Darstellung von Strafprozessen in solchen Gerichtsfilmen wird sich Ninon Maillard in ihrem Vortrag befassen. Sie untersucht, inwiefern Gerichtsfilme, aber auch Filmaufnahmen echter Prozesse für die rechtsgeschichtliche Forschung fruchtbar gemacht werden können.
Schließlich führt unser Regensburger Kollege Henning Müller die drei Teile unserer Ringvorlesung in einer Abschlussveranstaltung zusammen. Das tut er unter dem Titel „Warum nicht filmen?“ – oder vielleicht „Warum nicht filmen?“? Wir werden es in der letzten Vorlesungswoche hören.
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