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News: Malodorous Metropolises

Plenty of marble, trash of all kinds: It smelled bad in ancient metropolises - From the annual conference of the DFG funded Research Training Group 2337 "Pre-Modern Metropolitanism" at the University of Regensburg

08 December 2023, by Tanja Wagensohn

  • Philosophy, Art History, History, and Humanities
  • Languages, Literatures, and Cultures
  • Research

Rome, Athens, London, Paris: Their power of attraction led to radiance, wealth and growth in many metropolises of European antiquity and the Middle Ages. However, the associated infrastructural services for the inhabitants of these cities - their supply, the removal of garbage and dirt, hygiene in general - were challenges that were apparently not particularly well mastered in many places. The results were smell and stench.

How are unpleasant odors described in texts? When is it a question of individual perceptions of "pleasant" and "unpleasant", and where do social perceptions come into play? What cultural and socio-historical insights can be drawn from this?

The Research Training Group (RTG) 2337 "Pre-Modern Metropolitanism" at the University of Regensburg (UR), funded by the German Research Foundation (DFG), addressed the topic at its annual conference in 2023.

You can find a detailed conference report on the German website.

© Julia Dragan
Annual Conference 2023: Research Training Group 2337 "Pre-Modern Metropolitanism" at the University of Regensburg.

[Translate to English:]

Lebende Tiere, tote Tiere

Es gab viele Geruchsplagen, von denen antike Autoren berichten. Vieh wurde in die Innenstädte getrieben, um es zu verkaufen oder als Opfertiere zu schlachten. In Pompeji etwa hat man Ställe für Pferde, Rinder und Esel, die als Zug- und Reittiere gehalten wurden, ausgegraben. Es gab Orte auch für Tiere, die für Auftritte in Amphitheatern gehalten wurden. Tierkadaver lagen ebenfalls mancherorts, von erschlagenen Hunden, verendeten Pferden. Auf Straßen sollte das eigentlich nicht sein, berichten antike Autoren. Es passierte trotzdem.

Tierknochen und Tierhaut, Rohstoffe für Leimsieder, verbreiteten „sehr übelriechende Dämpfe, welche Arbeiter und Nachbarschaft belästigen“ zitiert Thüry antike Beobachter, und dann gab es die Gerber und fullones: Sie stellten Tuch her, färbten es, reinigten Kleidung und nutzten dafür Schwefel, oft auch Exkremente. Hinzu kam Rauch, von überall vorhandenen Feuerungsanlagen, Öfen und Lampen der Haushalte, eisen- und bronzeverarbeitender Betriebe, Töpfereien: „Typisch ist für römische Städte, dass sich geruchsintensive Gewerbe nicht in bestimmten Vierteln konzentrierten, sondern über die ganze Stadt verteilten.“ Marina Pizzi (UR) widmet ihre Überlegungen den verarbeitenden Betrieben.

Wollte man den Geruch verhindern?

In einem der Tagungspanel berichtet Adrian Linz (UR) vom Gestank durch Kulthandlungen: In Syrakus stand der wohl größte Altar der Antike, auf dem sich 450 Stiere gleichzeitig verbrennen ließen. In Athen gedachte man mit dem Opfern von 500 einjährigen Ziegen der Schlacht von Marathon. Kilometerlange Prozessionen und Triumphzüge, mit hunderten, oft tausenden von Pferde- und Eselswägen zogen Fäkalspuren durch die antiken römischen Städte. Empfanden die Stadtbewohner*innen der Antike die Gerüche ritueller Handlungen als unangenehm?

Wohl schon. Reliefs lassen vermuten, dass man der Geruchswolke mit dem Einsatz von Weihrauch entgegenwirkte. Er war über Jahrtausende Mittel und Teil ritueller Kommunikation und übernahm dabei auch eine praktische Rolle, in dem er den Geruch der Leichen auf Beerdigungen übertünchte. Professorin Dr. Annette Haug (Universität Kiel) beschäftigt sich mit den Strategien eines „olfaktorischen Designs im Stadtraum“ und den Inschriften, die dazu aufforderten, die Dinge in den Griff zu bekommen. In Pompeji scheint dies kaum gelungen zu sein, berichtet Dr. Laura Nissin (Aarhus Institute of Advanced Studies).

Abfälle und Exkremente

Zum Geruch kamen allgegenwärtige Müllablagerungen. „Man kann sagen, dass antike Literatur eine unerschöpfliche Fundgrube ist“, sagt Thüry, der unlängst auf eine Stelle gestoßen ist, „die klar bestätigt, dass in römischen Siedlungen keine kommunale Müllabfuhr existierte“. Für Müllentsorgungen war die Bürgerschaft selbst verantwortlich. Archäologische Untersuchungen zeigten regelmäßig, dass das nur sehr bedingt funktionierte: „Es gab Deponien, aber trotzdem lagen Abfälle überall herum. Das galt für Inneres von Gebäuden, aber auch für öffentlichen Raum.“

Inzwischen hat Thüry bei Plutarch einen literarischen Hinweis gefunden, der für absichtliche Müllverbrennung spricht. Doch meistens blieben die Abfälle, etwa aus Küchen und Schlachtereien, einfach irgendwo auf den Straßen liegen. Amphoren mit alter Fischsauce, Öl oder Wein deponierte man auf einem Haufen, etwa in den Hafenvierteln. Dem Gestank versuchte man mit dem Streuen von Kalk zwischen den Scherben einzudämmen.

Ein weiteres ungelöstes Thema: Exkremente, tierische wie menschliche. Die Archäologie identifiziere sie immer wieder als Bestandteil üblicher antiker Müllablagerung, berichtet Thüry, auf „normalen“ Deponien, oft auf Straßen. Für die Latrinen fehlte ausreichend Wasserdruck, und auch die römische Kanalisation war störanfällig und das Netz nicht vollständig. Abwasser lief ungeklärt in sauberes Wasser. Oder einfach auch auf die Straße. Man goss alle möglichen Flüssigkeiten aus dem Fenster, erzählt Thüry, urinierte auf offener Straße oder nutzte Brunnen als Pissoir. Erlaubt war das alles nicht immer.

Überschaubare Gegenmaßnahmen

Es gab Maßnahmen von Behörden und Privaten zur Verbesserung der Situation - etwa eine große Zahl an Gemeindeordnungen. Dr. Francesco Bono (Università Parma) setzt sich bei der Tagung mit rechtlichen Dokumenten zum Thema auseinander. Denn Straßen galt es verkehrstüchtig zu halten, Dreck aus dem Fenster zu werfen war in vielen Städten eigentlich verboten. Professorin Dr. Anna Modigliani (Università degli Studi della Tuscia) verweist darauf, dass Festtagsprozessionen, die sich durch die Städte bewegten, oft schon Grund genug waren, die Straßen freizuhalten. Professor Dr. Jorit Wintjes (Universität Würzburg) widmet sich dem olfaktorischen Fußabdruck der römischen Armee in der Kaiserzeit: Dabei geht es weniger um Schlachten als um die Interaktion des Berufsmilitärs mit der übrigen städtischen Welt.

Der Gestank der Städte war ein großes Thema über Jahrhunderte hinweg. Das illustrieren auch die Vorträge von Ronja Schünemann (TU Chemnitz) und Dr. Julia Seeberger (Universität Erfurt), die sich mit besonderen Ereignissen aus dem 12. und 13. Jahrhundert beschäftigen. Der Blick auf London im 18. Jahrhundert von Professorin Dr. Franziska Neumann (TU Braunschweig) wirft allerdings andere Fragen auf – die Quellen für die größte Metropole des Zeitalters seien „geruchsblind“, so die Historikerin. Warum, ist bislang unklar. Denn auch London duftete nicht: Die Anglistin Sophie Bantle (Universität Freiburg) hat eindeutige Hinweise dafür in den detektivischen Ermittlungen in den „Frankenstein Chronicles“ des 19. Jahrhunderts gefunden.


Warum geschah nicht mehr gegen die Zustände, die man als Plage empfand? Und was dachten die Menschen darüber? Sie waren offenbar auch damals nicht begeistert. Thüry berichtet, er habe um die 30 Erwähnungen belästigter Nasen gefunden. Gerüche, so vermutet man in einer Zeit, die Bakterien und Viren noch nicht kennt, verbreiten Krankheiten: Als im fünften Jahrhundert vor Christus die Pest in Athen wütet, vermutet Thukydides ihren Ursprung in den üblen Gerüchen, die über der Stadt liegen, berichtet vom míasma, giftigen Ausdünstungen der Menschen und des Bodens, die über die Luft Krankheiten verbreitet haben sollen. Dr. Markus Zimmermann und Professor Dr. Giuseppe Squilacce (Università della Calabria) blicken während der Tagung näher auf diese Aspekte. Professorin Dr. Anna Esposito (Università La Sapienza) lässt den Blick über die Stadt hinaus, in die Dörfer und Siedlungen Latiums schweifen.

Zum Ende seines Vortrags fragt Thüry endlich, warum man sich eigentlich nicht um Verbesserungen bemühte, wenn man sich am Geruch störte, ihn auch als Gesundheitsrisiko betrachtete. Warum nahm man das in Kauf? Sei das nicht überraschend? Nun – nicht wirklich, glaubt der Wissenschaftler. Menschen neigten ganz offensichtlich zu Selbstgefährdungs- und Selbstschädigungsverhalten. „Wir sehen es heute, im Angesicht der Katastrophe.“

Informationen/Kontakt

Die Tagung fand in enger Kooperation mit der Universität Bayreuth (external link, opens in a new window) statt.

Über das DFG-Graduiertenkolleg 2337 (external link, opens in a new window)

Über Prof. Mag. Dr. Dr. h. c. Günther E. Thüry (external link, opens in a new window)

UR Research: Dynamics in the Global World (external link, opens in a new window)

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