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Aktuelles: „Daher bitte ich Sie mich jetzt vom Amt des Gründungsrektors zu entbinden.“

Tag der Archive zeigt das Rücktrittstelegramm von UR-Gründungsrektor Götz von Pölnitz

05. März 2020, von Webredaktion

„Kommunikation – Von der Depesche zum Tweet“ hat der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare dem diesjährigen Aktionstag am 8. März 2020 als Motto vorangestellt. Auch das Universitätsarchiv Regensburg beteiligt sich in diesem Jahr wieder am Archivtag. „Wir zeigen unter andere Dokumente zur Einführung der Telefax-Technik an der Universität aus dem Jahr 1987, die erste bekannte E-Mail an der UR und Dokumente zum Thema Spam-Mails“, berichtet Dr. Andreas Becker, Leiter des Universitätsarchivs. Alle beteiligten Archive der Stadt präsentieren sich zwischen 10.30 und 15.30 Uhr zentral im Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv. Das prominenteste Stück Universitätsgeschichte wird in diesem Jahr das Telegramm mit dem Rücktrittsgesuch von Götz Freiherr von Pölnitz, dem Gründungsrektor der Universität Regensburg, sein. Einen Tag nach der Grundsteinlegung für die neue Universität – am 21. November 1965 – schickte von Pölnitz an den damaligen Bayerischen Kultusminister Ludwig Huber ein Telegramm mit folgendem Inhalt: „Mit der Grundsteinlegung wurde gestern die erste schwierige Phase des Regensburger Universitätsaufbaus abgeschlossen. Daher bitte ich Sie mich jetzt vom Amt des Gründungsrektors zu entbinden. Pölnitz“

In einer Zeit, in der kaum noch Telegramme verschickt werden, ist das Dokument an sich schon interessant – noch interessanter ist aber die Geschichte dahinter. Götz von Pölnitz war Professor für Mittelalterliche Geschichte und in den Jahren 1963/64 auch Rektor an der Universität Erlangen-Nürnberg, bevor er zum Gründungsrektor der 1962 per Beschluss des Bayerischen Landtags neu gegründeten Universität Regensburg ernannt wurde. Der eher konservative von Pölnitz passte aber wohl nicht recht zu der vom Ministerium als Reformuniversität geplanten neuen Hochschule in Regensburg. Auch die Gründungsgremien der Universität waren sich hinsichtlich der strukturellen Ausrichtung uneins: Organisationsausschuss und Kuratorium verfolgten eher konservative Ansätze, der 1965 eingesetzte Strukturbeirat dagegen war reformwillig. Die daraus resultierenden Verwerfungen führten schließlich zu einem scharfen Blick in die Vergangenheit des ungeliebten Gründungsrektors: Er förderte Schriften aus der Zeit des „Dritten Reichs“ zu Tage, in denen sich von Pölnitz der nationalsozialistischen Terminologie bedient und der Nazi-Propaganda das Wort redet. In der Folge distanzierte sich das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom Gründungsrektor, der sich jedoch keiner Schuld bewusst zu sein schien. Tatsächlich war es von Pölnitz in der NS-Zeit nicht gelungen, als Wissenschaftler Karriere zu machen, denn die Nationalsozialisten ihrerseits hielten ihn für nicht linientreu. „Bei der Feier zur Grundsteinlegung für die Universität Regensburg am 20. November 1965 wurde Götz von Pölnitz schließlich demonstrativ ignoriert“, berichtet Dr. Andreas Becker. In einem Zeitungsartikel aus DER ZEIT vom 3. Dezember 1965 heißt es: „Bei der Grundsteinlegung […] wurde Professor v. Pölnitz in den Festreden nicht erwähnt. Kein Offizieller, von Ministerpräsident Goppel abgesehen, richtete das Wort an ihn; die Urkunde, die man in den Grundstein mauerte, verschwieg seinen Namen.“ Aus dieser Situation heraus reichte Götz von Pölnitz am Tag nach der Grundsteinlegung per Telegramm seinen Rücktritt als Gründungsrektor ein. Neuer Rektor wurde der Jurist Prof. Dr. Franz Mayer, unter dessen Leitung die Universität Regensburg am 6. November 1967 den Lehrbetrieb aufnahm. Drei Tage später, am 9. November 1967, starb Hieronymus Christoph Jan Eugen Franz Gottfried Maria Freiherr von Pölnitz, genannt Götz, in Erlangen.


Über das Universitätsarchiv

Das Universitätsarchiv ist das historische Gedächtnis der Universität. Es umfasst etwa zwei Regal-Kilometer an Unterlagen, die bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückreichen, in Einzelfällen bis ins 17. Jahrhundert. Zu finden sind dort neben der institutionellen Überlieferung auch Nachlässe von Professorinnen und Professoren sowie die Archive wie etwa vom Verein Donumenta oder vom Regensburger Studententheater.


Tag der Archive 2020

Sonntag, 8. März 2020, 10.30 Uhr bis 15.30 Uhr
Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv in Schloss St. Emmeram, Emmeramsplatz 5, Zugang über die Pforte am Ende der Schlossstraße
Neben dem Universitätsarchiv zeigen das Archiv des St. Katharinenspitals, das Bischöfliche Zentralarchiv, das Stadtarchiv und das gastgebende Thurn und Taxis Zentralarchiv Dokumente zum Rahmenthema „Kommunikation“.
Der Eintritt ist frei.

Weiterführende Links

Faksimile des Rücktrittstelegramms von Gründungsrektor Götz von Pölnitz; Original im Bestand des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München
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