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Aktuelles: „Prozesse filmen: eine Herausforderung für die Gesellschaft. Von Nürnberg bis zur chilenischen Diktatur“

Ausstellung an der Universität Regensburg eröffnet

15. Mai 2025, von Kommunikation & Marketing

  • Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften
  • Internationalisierung
  • Präsidium

Mit einer feierlichen Vernissage hat die Universität Regensburg am Mittwochabend die Ausstellung „Prozesse filmen: eine Herausforderung für die Gesellschaft. Von Nürnberg bis zur chilenischen Diktatur“ eröffnet. Die Ausstellung ist bis zum 12. Juli 2025 im Oberen Foyer der Universitätsbibliothek zu sehen und widmet sich der filmischen Dokumentation internationaler Strafprozesse – von den Nürnberger Prozessen über den Eichmann-Prozess bis hin zu Verfahren gegen Täter der chilenischen Militärdiktatur.

Nach der musikalischen Eröffnung des Abends durch David Peterhoff und Arnold Thelemann (Kammerorchester der UR), begrüßte Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel die knapp 100 geladenen Gäste, unter ihnen die israelische Generalkonsulin in München, Talya Lador-Fresher, der stellv. Generalkonsul der Republik Frankreich in München, Pierre Clouet, Martine Sin Blima-Barru, Abteilungsleiterin im französischen Nationalarchiv und Kuratorin der Ausstellung, Ilse Danziger, Vorstand der Jüdischen Gemeinde Regensburg und die Regensburger Stadträtin Gabriele Opitz, in Vertretung von Regensburgs Oberbürgermeisterin Getrud Maltz-Schwarzfischer.

In seinem Grußwort hob Präsident Prof. Dr. Udo Hebel die Bedeutung der Ausstellung für die Universität Regensburg und über sie hinaus hervor. „Der Universität Regensburg ist es als Ort der internationalen Begegnung und der Vielfalt ein großes Anliegen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung – besonders auch für die zukunftsgerichtete und gerechte Erinnerungsarbeit – gerecht zu werden. Die Ausstellung Prozesse filmen steht exemplarisch für die wissenschaftliche Erinnerungsarbeit, die an unserer Universität gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern geleistet wird.“

Die israelische Generalkonsulin in München, Talya Lador-Fresher, betonte in ihrer Ansprache die internationale Relevanz audiovisueller Zeugnisse für die kollektive Erinnerung und die Stärkung rechtsstaatlicher Werte. „Dieses Jahr feiern wir 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel und 80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus. Insbesondere in den 20 Jahren vor der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen spielte für Jüdinnen und Juden, vor allem Holocaust-Überlebende, und für den Staat Israel mit Blick auf Deutschland die Frage nach Gerechtigkeit eine zentrale Rolle. Die Ausstellung ‘Prozesse filmen: eine Herausforderung für die Gesellschaft.’ trägt dem Rechnung, indem sie Filmaufnahmen bedeutender internationaler Strafgerichtsprozesse, beginnend mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1945/46 ins Zentrum stellt.“

Auch der stellvertretende französische Generalkonsul in München, Pierre Clouet, unterstrich die historische und politische Dimension der gezeigten Filme. „In einer Zeit, in der die Stimmen der Zeitzeug*innen verstummen, müssen Archive sprechen. Gerichtsfilme können zwar keine Zeug*innen ersetzen, aber sie ermöglichen eine neue Form des kollektiven Gedächtnisses. Gerade heute ist es von größter Bedeutung, sich daran zu erinnern, dass ein unabhängiges Justizsystem und die Dokumentation schwerster Verbrechen Grundpfeiler unseres Rechtsstaats sind.“

Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer, Präsidentin der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH), würdigte in ihrem Grußwort die Ausstellung als gelungenes Beispiel internationaler Wissenschaftskooperation: Ursprünglich vom französischen Nationalarchiv (Archives nationales) unter dem Titel „Filmer les procès: un enjeu social“ konzipiert, wurde sie für die Präsentation in Regensburg von Prof. Dr. Isabella von Treskow wissenschaftlich erweitert und inhaltlich kontextualisiert. „Diese Ausstellung macht sichtbar, was oft im Verborgenen bleibt: fragile Verbindungen zwischen Gerechtigkeit, Erinnerung und Verantwortung. Die gefilmten Strafprozesse zeugen davon, wie Gesellschaften ringen, das Unaussprechliche in Worte und Bilder zu fassen – und stellen die Frage, ob dies überhaupt möglich ist. Als Präsidentin der Deutsch-Französischen Hochschule, die für grenzüberschreitende Verständigung durch Bildung steht, berührt mich dieser deutsch-französische Ausstellungsdialog zutiefst.“

Prof. von Treskow, Inhaberin des Lehrstuhls für französische und italienische Literatur- und Kulturwissenschaft, hat mit ihrer kuratorischen Arbeit nicht nur einen zentralen Beitrag zur Ausstellung geleistet, sondern stärkt auch die internationale Vernetzung der Universität Regensburg in besonderer Weise: Seit dem 1. Januar 2025 vertritt sie zudem die Mitgliedshochschulen im Hochschulrat der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH).

„Wie anders sähe das deutsche Geschichtsbild aus, wenn wir nicht Filmaufnahmen des Eichmann-Prozesses hätten? Wie anders unser Weltverständnis, wenn wir uns nicht in Europa auf ordentliche Verfahren verlassen könnten? Die Ausstellung zeigt, wie sich die Rechtsprechung ab 1945 über Etappen entwickelte und dass der Gerichtssaal ein Ort ist, an dem Gesellschaften ihre Grundwerte verhandeln, besonders in Strafprozessen und erst recht in solchen zu Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich bin dankbar, dass die Ausstellung vom Französischen Nationalarchiv zu uns gekommen ist. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen in Frankreich hat hervorragend geklappt. Der Zuspruch am heutigen Abend ist ein Beweis dafür, dass auch ein zunächst abstrakt aussehendes Thema breite Resonanz entfalten kann. Was uns in Regensburg mit den französischen Kollegen und Kolleginnen verbindet, ist das Engagement für Menschenrechte und für die Demokratie. Diese gemeinsame Basis trägt uns, auch heute und sicher in der Zukunft“, erklärte Prof. von Treskow.

Unter den Gästen des Abends waren auch zahlreiche französische und deutsche Studierende aus deutsch-französischen Doppelstudiengängen, außerdem Studierende der Medienwissenschaft, Kriminologie und weiterer Fächer, für die der Hauptvortrag Teil einer die Ausstellung flankierenden Ringvorlesung ist.

Diesen Hauptvortrag hielt dann Prof. Dr. Stefanie Bock, Direktorin des Internationalen Friedens- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse an der Universität Marburg. Sie erläuterte eindrucksvoll die Rolle audiovisueller Aufzeichnungen in internationalen Strafverfahren – im Spannungsfeld zwischen juristischer Dokumentation, öffentlicher Wahrnehmung und erinnerungspolitischem Anspruch. Sie erklärte: „Aufzeichnungen von Strafverfahren sind in Deutschland weitgehend unzulässig. Im Völkerstrafrecht steht dies im Widerspruch zur internationalen Praxis. Schon die nach dem Zweiten Weltkrieg geführten Nürnberger Prozesse wurden in weiten Teilen in Ton und Bild festgehalten. Heute werden grundsätzlich alle öffentlichen Verhandlungen vor dem Internationalen Strafgerichtshof im Internet gestreamt“, so die Rechtswissenschaftlerin. Die Taten würden so weltweit sichtbar, auch und vor allem gegenüber den Opfern und der tatbetroffenen Gesellschaft, als Unrecht gebrandmarkt. Gleichzeitig werde die Verbindlichkeit des Rechts bekräftigt und gezeigt, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt bleiben. „Deutschland sollte sich stärker an den internationalen Vorbildern orientieren. Die Aufzeichnung und Verbreitung nationaler Völkerstrafprozesse kann die Informationsinteressen der Opfer und der tatbetroffenen Gesellschaften befriedigen und zu einer zumindest kommunikativen Stärkung der Völkerstrafrechtsordnung beitragen“, so Prof. Bock.

Im Anschluss stellten Prof. Dr. Anna Bernzen und Prof. Dr. Robert Uerpmann-Wittzack das Konzept der begleitenden interdisziplinären Ringvorlesung „Kameras im Gerichtssaal“ vor. Sie beleuchtet aus rechtswissenschaftlicher, medienwissenschaftlicher und kulturwissenschaftlicher Perspektive die Chancen und Herausforderungen filmischer Prozessaufzeichnung. Als bekanntester Referent wird der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam am 9. Juli zu Gast sein. 

Den festlichen Abschluss der Vernissage bildete dann die offizielle Ausstellungseröffnung durch Dr. André Schüller-Zwierlein, Direktor der Universitätsbibliothek.

Über die Ausstellung

Die Ausstellung präsentiert noch bis zum 12. Juli 2025 sechs exemplarische Filme von international bedeutsamen Strafprozessen: Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesse (1945/46), Eichmann-Prozess (1961) sowie die Prozesse gegen Klaus Barbie (1987), Paul Touvier (1994), Maurice Papon (1998) und gegen Täter der Pinochet-Diktatur (2010). Besucher*innen erwartet ein intensives Ausstellungserlebnis mit Filmsequenzen (10–25 Minuten, mit deutschen Untertiteln), ergänzt durch Informationen zur Kameratechnik, zur rechtlichen Einordnung, zu den Gefahren der Selbstinszenierung – am Beispiel z.B. des Prozesses gegen Eichmann, der sich erfolgreich als „pedantischer Bürokrat“ darstellte, so dass er als „banale“ Person erschien – sowie zu den historischen Hintergründen.

Die Ausstellung und die Ringvorlesung zeigen eindrucksvoll, wie bewegte Bilder zur Auseinandersetzung mit Unrecht beitragen und zur Erinnerung an historische Verantwortung mahnen – und stellen zugleich wichtige Fragen an die Gegenwart: Welche Rolle spielen Kameras im Gerichtssaal? Wie verändert das Medium Film unser Verständnis von Recht und Gerechtigkeit?

Informationen zur Ausstellung „Prozesse filmen“ (externer Link, öffnet neues Fenster)
Informationen zur Ringvorlesung „Kameras im Gerichtssaal“  (externer Link, öffnet neues Fenster)

v.li. Prof. Dr. Isabella von Treskow, die israelische Generalkonsulin in München, Talya Lador-Fresher und Univeristätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel bei der Vernissage der Ausstellung „Prozesse filmen: eine Herausforderung für die Gesellschaft. Von Nürnberg bis zur chilenischen Diktatur“.
Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer, Präsidentin der Deutsch-Französischen Hochschule und Pierre Clouet, stellvertretender französischer Generalkonsul in München.
v.li. Prof. Dr. Anna Bernzen, Dr. André Schüller-Zwierlein, Prof. Dr. Isabella von Treskow , Prof. Dr. Udo Hebel, Talya Lador-Fresher, Prof. Dr. Stefanie Bock, Pierre Clouet, Prof. Dr. Robert Uerpmann-Wittzack.

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Kommunikation und Marketing

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Tel.: +49 (0)941 943 5566
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