Am 7. Mai 2025 wurde das mit Spannung erwartete Gutachten „Lehrkräftebildung für das 21. Jahrhundert: Attraktivität und Qualität durch Professionsbezug und Wissenschaftsorientierung“ veröffentlicht. Die dreizehnköpfige Expertinnen- und Expertenkommission hatte es im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung zwischen Sommer 2023 und Dezember 2024 erarbeitet. Der Kommission gehörten neben einem Studierendenvertreter und sechs Vertreterinnen und Vertretern aus Lehrkräfteverbänden auch sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus bayerischen Universitäten an – darunter Prof.in Dr. Anita Schilcher, Vorsitzende des Regensburger Universitätszentrums für Lehrerbildung (RUL) und Inhaberin des Lehrstuhls für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Regensburg.
Den Auftakt zur universitären Auseinandersetzung mit dem Gutachten bildete eine Diskussionsveranstaltung des RUL am 19. Mai 2025 unter dem Titel „Impulse für die Lehrkräftebildung in Bayern“. Rund 70 Teilnehmende aus Wissenschaft, Schule, Studium, Schulaufsicht und Seminarausbildung kamen im Vielberth-Gebäude der Universität Regensburg zusammen, um die Inhalte des Gutachtens gemeinsam zu diskutieren.
Nach einer Begrüßung durch Prof.in Dr. Astrid Rank, Lehrstuhlinhaberin für Allgemeine Grundschulpädagogik und -didaktik und stellvertretende RUL-Vorsitzende, betonte Prof. Dr. Nikolaus Korber, Vizepräsident für Studium, Lehre und Weiterbildung, in seinem Grußwort die Relevanz des Gutachtens für alle bayerischen Universitäten:
„Die Empfehlungen der Expertinnen- und Expertenkommission stellen aus meiner Sicht einen Höhepunkt in einer Vielzahl an Stellungnahmen dar, die in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, dass die Lehrkräftebildung besonders große Aufmerksamkeit erfährt.“ Er hob hervor, dass neue Konzepte für eine „Lehrkräftebildung aus einem Guss“ erforderlich seien, um angehende Lehrkräfte bestmöglich auf ihre gesellschaftlich zentrale Aufgabe vorzubereiten. Trotz festgelegter Rahmenbedingungen – wie dem Staatsexamen und der schulartspezifischen Organisation – sieht Korber die Empfehlungen als „Meilenstein für den Aufbruch zu einer Reform der Lehrkräftebildung in Bayern“.
Anschließend stellte Prof.in Schilcher als Mitglied der Kommission die zentralen Inhalte des Gutachtens vor. Dieses ist in vier Kapitel gegliedert: von der Analyse bestehender Probleme über Lösungslinien und Eckpunkte für die Weiterentwicklung bis hin zu Umsetzungsempfehlungen. Insgesamt werden 13 konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Besonders betonte Schilcher in ihrem Vortrag: „Die Implementation muss in kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen erfolgen, wobei zum gegenwärtigen Zeitpunkt selbst die kurzfristigen wie die Einrichtung eines Lenkungskreises zur dialogisch-partizipativen Entwicklung des angekündigten Masterplans noch ausstehen.“
Im zweiten Teil der Veranstaltung diskutierten Prof.in Schilcher, Prof. Korber, Lehramtsstudentin Susanne Pröls und Seminarleiter Nikolaus Kühnhackl unter Moderation von Prof.in Rank die Thesen des Gutachtens. Prof. Korber begrüßte insbesondere die Empfehlung, die Verantwortung der Universitäten auf die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften auszudehnen, sowie den Fokus auf Inklusion. Prof.in Schilcher hob nochmals die Notwendigkeit eines evidenzbasierten Professionsbezugs hervor. Susanne Pröls zeigte sich überrascht von der angedachten Ausweitung des Lehramtsstudiums auf 300 ECTS-Punkte: „Einerseits begrüße ich, wenn dadurch wichtige Themen wie Inklusion oder Digitalisierung stärker verankert werden könnten. Andererseits könnte eine Ausweitung zu einer Verlängerung über zehn Semester hinaus führen.“ Nikolaus Kühnhackl lobte die Forderung nach einer Entkopplung von Reformen und Unterrichtsversorgung, äußerte aber Kritik an einer möglichen Vereinheitlichung des Vorbereitungsdienstes über alle Lehrämter hinweg.
In der sich anschließenden offenen Diskussion, an der am Ende auch das Publikum beteiligt wurde, standen insbesondere vier Themen im Mittelpunkt: die Verknüpfung von erster und zweiter Ausbildungsphase, das Staatsexamen, die Rolle von Core Practices sowie die vorgeschlagene Ausweitung auf 300 ECTS-Punkte. Frau Pröls sprach sich aus studentischer Sicht für die Umsetzung der Empfehlungen zum Referendariat aus, während Kühnhackl auf die hohe Reformdynamik in der zweiten Ausbildungsphase verwies. Er sah im Gutachten einen „wichtigen Impuls dafür, dass die an der Lehrkräftebildung beteiligten Personen und Institutionen ihre Selbstreferentialität überwinden“.
Einig war sich das Podium darüber, dass mehr Professionsbezug und Kompetenzorientierung im Staatsexamen notwendig, aber schwer umzusetzen seien. Prof.in Schilcher sah dabei großes Potenzial in den Core Practices, insbesondere der in Regensburg erforschten Praxis des Erklärens: „Diese Praxis wirkt lernförderlich und gehört auch im universitären Kontext zu den wichtigsten Handlungspraktiken.“ Prof. Korber merkte jedoch an, dass in den Fachwissenschaften eine andere Logik vorherrsche, was eine solche Ausrichtung erschweren könne. Die Ausweitung auf 300 ECTS-Punkte wurde kontrovers diskutiert. Kritisiert wurden mögliche negative Effekte auf den Lehrkräftemangel und der Aufwand notwendiger Strukturreformen. Positiv hervorgehoben wurden hingegen Chancen zur inhaltlichen Stärkung des Studiums, etwa durch bessere Einbindung berufsrelevanter Querschnittsthemen und praxisorientierter Lerngelegenheiten.
Aus dem Publikum wurde auch die Frage nach einem Praxissemester gestellt. Prof.in Schilcher verwies auf die Bedeutung gut begleiteter Praxisphasen und plädierte für eine bessere universitäre Einbindung des Orientierungspraktikums. Die im Gutachten empfohlene Abschaffung des Betriebspraktikums stieß auf breite Zustimmung – auf dem Podium wie im Publikum –, da dieses kaum zur Professionalisierung beitrage.
In ihrem Schlusswort betonte Prof.in Rank: „Die Umsetzung der Empfehlungen der Expertinnen- und Expertenkommission ist ein langwieriges Unterfangen, für das es in erster Linie einer politischen Willensbekundung bedarf – und bei allen Beteiligten eine Bereitschaft zur Innovation.“ Sie dankte den Diskutierenden und dem Publikum für die lebendige Debatte. Viele der Teilnehmenden vertieften die Gespräche direkt im Anschluss in kleinen Gruppen – ein deutliches Zeichen für das große Interesse an der Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung in Bayern.
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